Die Tricks der schlauen Raben

Krähenvögel gehören zu den intelligentesten Tieren überhaupt. Durch pfiffige Experimente verstehen Verhaltensforscher die komplexen Gedanken dieser Vögel immer besser.

Der Kolkrabe Matt schaute sich den Versuchsaufbau sehr genau an. An einer Sitzstange hing eine stabile Schnur, und daran war ein Stück Salami festgebunden. Es gab keine Möglichkeit, diesen Leckerbissen direkt zu ergattern. Nach einer halben Minute hatte der Rabe die Lösung. Er flog auf die Stange, packte die Schnur und zog sie hoch, klemmte sie unter seinen Fuß, zog weiter an der Schnur, klemmte sie wieder fest und fuhr fort, bis er seine Beute hatte. Der amerikanische Verhaltensforscher Bernd Heinrich und sein österreichischer Kollege Thomas Bugnyar führten diesen Versuch mit vielen Kolkraben durch. Fast alle lösten die schwierige Aufgabe in wenigen Minuten. Nur ein paar „Dummköpfe“ begriffen nichts und versuchten die Beute direkt im Flug zu ergreifen. Und: Wenn die Forscher die Vögel von den Sitzstangen verscheuchten, gleich nachdem die den Leckerbissen ergattert hatten, ließen alle Raben die Wurststücke los. Keiner versuchte mit der angebundenen Beute loszufliegen. Die Vögel konnten sich offensichtlich vorstellen, was passieren würde, auch wenn sie selbst es noch nicht erlebt hatten.

Als Heinrich, der an der University of Vermont forscht, Anfang der Neunzigerjahre versuchte, diese Versuchsergebnisse in Fachblättern zu publizieren, stieß er auf Ablehnung. Heute liegen zahlreiche Beobachtungen und Experimente vor, die auf intelligentes Verhalten von Krähenvögeln hindeuten. Wer Raben, Dohlen und andere Mitglieder dieser Familie beobachtet, weiß, dass sie ein großes Verhaltensrepertoire haben. Rabenkrähen lassen zum Beispiel Nüsse auf steinigen Boden fallen, damit diese aufbrechen. Ähnliches tun auch andere Vögel. Aber die Krähen haben die Methode verfeinert: Sie werfen die Nüsse auf Straßen, wo sie von Autoreifen geknackt werden. Das ist effizienter als ein einfacher Wurf – aber auch gefährlicher. In Tokio erfanden Rabenkrähen um 1990 eine sichere Variante. Die japanischen Rabenkrähen legten die Nüsse bei Grün auf Zebrastreifen, ließen die Autos bei Rot darüber fahren und gingen beim nächsten Grün mit den Menschen auf die Straße, um sich die Leckerbissen zu holen. Wie waren die Vögel auf diese Idee gekommen? Hatte irgendwann ein Tier durch Zufall eine Nuss auf einem Zebrastreifen verloren, den Vorteil erkannt und seinen Nachkommen dann den Trick beigebracht? Schon dies wäre eine erstaunliche geistige Leistung – aber die Versuche der Rabenforscher deuten auf noch viel mehr Intellekt hin …

Dies ist ein Artikelauszug. Den vollständigen Beitrag finden Sie in bild der wissenschaft 10/2008.